U1, U2 oder U3? So überleben Unternehmen in unvorhersehbaren Zeiten
Die Spielregeln der Wirtschaft werden nie mehr die alten sein. Nun zeigt sich, wer durchstartet und wer ins Trudeln gerät. Nur Anbieter, denen es gelingt, immer wieder Neues in den Markt zu bringen, werden in Zukunft mithalten können. Wer dabei auf die Initiativen interner Vorwärts-, Quer- und Weiterdenker setzt, legt Trittsteine in die kommende Zeit.
Überall auf der Welt definieren Visionäre gerade das Mögliche neu. Bahnbrechende Innovationen kommen am laufenden Band und wie aus dem Nichts. Mutige neue Anbieter mit frischen Ideen schieben sich immer weiter nach vorn. Sie erwirtschaften Megaumsätze mit Technologien, die es vor wenigen Jahren noch nicht einmal gab. Sie besetzen die Geschäftsfelder der Zukunft und werden ganze Industrien verändern.
Andere, bessere, unkonventionelle Ideen
Oft sind kluge Vorwärts-, Quer- und Weiterdenker die ersten, die instinktiv merken, wenn in der Firma was aus dem Ruder läuft. Sie sprühen vor Ideen, wie man das, was in die Jahre gekommen ist, besser machen könnte, sollte und müsste — wenn man sie lässt. Sie ehren das Gute und plädieren zugleich für das bessere Neue. Sie sind der Voraustrupp ins Neuland, Brückenbauer zwischen gestern und morgen. Sie sprengen den „So-machen wir das hier-Rahmen“ und bringen Metamorphosen in Gang.
Ein zaghaftes Auffrischen von Bestehendem reicht eben nicht länger aus. Tiefgreifende Veränderungen sind nötig, Neuausrichtungen zwingend, oft steht ein komplettes Umkrempeln an. Und der Startpunkt dafür sind andere, bessere, unkonventionelle, mannigfache Ideen Nur, wer viel würfelt, der würfelt am Ende auch Sechser. Doch siehe da, wie fatal: Nur 16 Prozent der Mitarbeiter werden dazu ermutigt, neue Ideen auszuprobieren, ergab eine kürzliche Studie von StepStone und Kienbaum.
Besser vorausgehen statt hinterherlaufen
Die neuen Marktplayer begeben sich erst gar nicht auf Aufholjagd. Sie versuchen auch nicht, alte Technologien aufzupeppen. Sie überspringen sie einfach. Herkömmliche Branchengesetze sind ihnen egal. Gewohntes wird radikal infrage gestellt. Unbekümmert und forsch kreieren sie die Dinge völlig anders und neu. Vorausgehen statt hinterherlaufen ist ihr Prinzip.
Game Changer nennen sie sich. Mit Hingabe, Tatkraft und wilder Entschlossenheit konzentrieren sie sich exakt auf das, was bei den Etablierten nicht gut genug funktioniert. Dabei entstehen Innovationen, die die Welt so umfassend verändern wie niemals zuvor. Mit Nischengespür packen sie jede Chance beim Wickel, die sich durch die fortschreitende Digitalisierung ergibt.
Die Technologie gibt die Marschrichtung vor
Die Technologie, entwickelt von Unternehmen, die man U0 nennen könnte, gibt von nun an (siehe Abbildung) die Marschrichtung vor. Ihre Denke nennt sich „x10“. Die Entwicklung dahinter ist exponentiell, und das bedeutet: erst langsam, dann plötzlich ganz schnell. Die passende Kombination solcher Technologien ist entscheidend. Sie erzeugt Wechselwirkungen, die zu unvorhersehbaren und zunehmend komplexen Ereignissen führen können.
So entsteht quasi ein Eigenleben. Längerfristige Prognosen werden unmöglich. Jede technologische Verbesserung führt zudem dazu, dass die nächste Verbesserung rascher erreicht werden kann. Wer zunächst zögerlich abwarten will, wie sich das Ganze entwickelt, wird nicht schnell genug sein, um den Vorsprung anderer einzuholen. Es ist geradezu wettbewerbsentscheidend, modernste Technologien einzusetzen. Denn …
Fortschrittliche Kunden folgen der Technologie
Angezogen von der Faszination innovativer Möglichkeiten sind auch die Kunden schnell unterwegs, viel schneller als die meisten Anbieter im Markt. Genügend Menschen werden es kaum abwarten können, jede Neuerung auszuprobieren, vor allem dann, wenn sie sie erfolgreicher macht und/oder ihnen ein besseres Leben verheißt.
Aus den positiven Erfahrungen solcher Early Adopter, Vorreiter und Pioniere erwachsen dann neue Anforderungen an alle Player im Markt. So wird das Neue zu einem unverzichtbaren Teil unseres Lebens. Was menschenmöglich ist, optimieren wir, seit es uns Menschen gibt. Die Suche nach dem nützlichen Neuen zählt zu den wichtigsten Triebfedern unseres Denkapparats.
Und Ihr Unternehmen? Sind Sie U1, U2 oder U3?
U1-Unternehmen sind die, die diese Entwicklung verstehen. Sie folgen der Technologie und den Kunden. Das sind nicht zwangsläufig nur Jungunternehmen, auch jede etablierte Company kann dies locker schaffen. Solche Unternehmen stellen sich dem unvermeidlichen Wandel. Ständig entwickeln sie neuartige Initiativen. Denn sie wissen: Das Unterlassen ist, wenn es um Zukunft geht, der größte Fehler.
U2-Unternehmen sind solche, die mit dem Lauf der Dinge nicht Schritt halten werden, weil sie linear weiteragieren und dadurch essenzielle Chancen verpassen. Sie tröpfeln aus. Linear bedeutet: Ein System verhält sich vorhersehbar, man kann von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen und mit etablierten Rezepten darauf reagieren.
Doch lineares Denken ist in einer exponentiellen Zukunft fatal. Denn Zukunft entsteht nicht in geraden Linien, sondern in plötzlichen Sprüngen. Fortan wird man sich aufmachen müssen, ohne den genauen Weg schon zu kennen. Agile Strukturen, Freiräume fürs Experimentieren und eine auf den ständigen Wandel ausgerichtete Führungskultur sind dafür unerlässlich.
Aufgeschlossenheit für Wandel: oft nur verbal
Jedes Unternehmen hat einen Lebenszyklus, der irgendwann endet. Es sei denn, es erfindet sich neu. Dies verlangt nicht nur viele neue Ideen, sondern auch eine neue Form der Arbeitsorganisation. Denn komplexe, also vielfältig miteinander verflochtene Umfelder und hohe Dynamik vertragen sich äußerst schlecht mit formalisierten Machthierarchien.
Doch Mächtigen fällt es unglaublich schwer, sich selbst zu entmachten. Genau deshalb passiert in traditionellen Unternehmen nicht wirklich viel. Wer das ändern will, muss sich von Boykottierern rigoros trennen. Bekommt dann eine veränderungsfreudige Vorhut das Sagen, gelingt die Transformation am Ende dann doch — und der Aufschwung beginnt, wenn auch spät. Man wird zu einem U1-Unternehmen.
Behalten hingegen die Bestandsverwalter, die Scheuklappenträger und Geht-nicht-Sager die Macht, wird die notwendige Transformation letztlich scheitern. Man wird zu einem U3-Unternehmen. Und das bedeutet: zunächst Stagnation, dann Irrelevanz, dann Niedergang, dann das Aus: zuerst für eine einzelne Firma, dann für viele, dann für den Wirtschaftsstandort, schließlich für ein ganzes Land.
Ihr Voraustrupp auf dem Weg in die Zukunft
Das Verteidigen veralteter Strukturen und der Mangel an firmeninterner Querdenker-Akzeptanz sind die Top-Hindernisse auf dem Weg in die Zukunft. Und beides hängt eng miteinander zusammen. In Vorreiter-Unternehmen, also denjenigen, die gut unterwegs sind, sind konstruktive Infragesteller, Andersmacher, Vorwärtsbringer und Übermorgengestalter hochwillkommen. Wo diese nicht aktiv werden dürfen, verstärken sich die Beharrungstendenzen — und damit droht der schnelle Weg in die Versenkung.
Wie man sich davor schützt? Selbst dann, wenn Sie derzeit erfolgreich am Markt unterwegs sind: Identifizieren Sie im Unternehmen die, die das Potential zum Voraus-, Quer- und Weiterdenken in sich tragen und starten Sie mit ihnen als Vorhut zügig einen Prozess mit dem Ziel, sich von innen heraus neu zu erfinden, um konkurrenzfähig zu bleiben und zukunftssicher zu werden. Wie das gelingt, habe ich in “Die Orbit-Organisation” und in „Querdenker verzweifelt gesucht“ praxisnah und ausführlich beschrieben.
Die Bücher zum Thema
Anne M. Schüller
Querdenker verzweifelt gesucht
Warum die Zukunft der Unternehmen
in den Händen unkonventioneller Ideengeber liegt
Mit einem Vorwort von Gunter Dueck
Gabal Verlag 2020, 240 Seiten, 29,90 Euro
ISBN: 978–3–86936–998–3
Anne M. Schüller, Alex T. Steffen
Die Orbit-Organisation
In 9 Schritten zum Unternehmensmodell
für die digitale Zukunft
Gabal Verlag 2019, 312 Seiten, 34,90 Euro
ISBN: 978–3869368993
Die Autorin
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager und zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus. www.anneschueller.de